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Alt 20.08.2012, 07:12
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Grazi Grazi ist offline
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Standard Animal Hoarding, Artikel in "Leben mit Tieren" 3/2012

In der o.g. Zeitschrift (die oft in Vet-Praxen ausliegt) gibt es einen interessanten Artikel zur Tiersammelsucht.

Ich fasse mal die wichtigsten Punkte zusammen:

Definition
Ein Krankheitsbild, bei dem Menschen Tiere in einer großen Zahl halten, sie aber nicht angemessen versorgen. Es fehlt an Futter, Wasser, Hygiene, Pflege und tierärztlicher Betreuung. Der Halter ist aber nicht oder nur eingeschränkt in der Lage zu erkennen, dass es den Tieren in seiner Obhut schlecht geht.

Typologie des Hoarders
meist Einzelpersonen mit Bindungsschwierigkeiten; gesellschaftlich isoliert;
drei Viertel der Hoarder sind Frauen im Alter von 50+.

es gibt:

Pflegertypen, die mit der Vermehrung ihrer Tiere überfordert sind; sie erkennen das Problem, können es aber nicht lösen.

Befreiertypen, die aktiv Tiere aufnehmen und sich als Retter sehen; sie meinen, nur bei ihnen ginge es den Tieren gut.

Züchtertypen, die sich Tiere anschaffen, um mit ihnen zu züchten und zu verkaufen; dann gerät die Sache aus dem Ruder.

und den besonders problematischen Fall der Ausbeutertypen, welche man bislang wohl nur aus den USA kennt. Die Tiere sind für diese Hoarder nur Statussymbol und es besteht keine emotionale Bindung. Sie empfinden keine Verantwortung für die Tiere und sehen auch meist nicht ein, dass die Tiere leiden.

Dies sind die "Reinformen", selbstverständlich existieren auch Zwischenformen.

mögliche Ursachen
- Suchtkrankheiten
- Zwangskrankheiten
- verschiedenste Neurosen
- Alterserkrankungen (Demenz, Alzheimer)
- ADHS
- Traumata und innere Konflikte, die zur Abwendung von anderen Menschen führen

Erkennen von Animal Hoarding

Falls folgende 3 Kriterien zutreffen, handelt es sich um einen beginnenden AH-Fall:

1) Haltung von mehr als der durchschnittlichen Anzahl Tiere (in D: bis zu 3 Hunde, 3-4 Katzen, 5 Nager)

2) zu viele Tiere für das vorhandene Platzangebot in Wohnung/Haus bzw. auf dem Grundstück (Mindestanforderung laut TschG, pers. Einschätzung des TAs)

3) keine Einsicht, den Tierbestand zu reduzieren

Problematik

Durch die bewusste Abschottung der AH von der Außenwelt ist das Problem meist nur schwer bzw. zu spät zu erkennen.

Das VetAmt darf nicht einfach so auf das Gelände, in Haus/Wohnung. Falls sich die Person weigert, muss erst über die Staatsanwaltschaft ein Betretungsrecht erwirkt werden.... und dafür muss man Beweise vorlegen, was ja nicht so einfach ist....

Hat das VetAmt Zutritt bekommen, darf es nicht sofort Tiere beschlagnahmen und mitnehmen. Bei Feststellung von "Mängeln" müssen erst Gespräche stattfinden und Auflagen gestellt werden. Erst wenn diese Maßnahmen versagen, können Tiere beschlagnahmt werden

bis zu diesem Zeitpunkt
- hat sich der Tierbestand in der Regel noch erweitert
- sind Tiere bereits verstorben oder schwer krank
- sind Tiere stark verhaltensauffällig

Nächstes Problem:
Umgebende THs und TSVs bekommen auf einen Schlag eine riesige Anzahl stark pflegebedürftiger Tiere.

Nicht nur, dass man erst einmal den nötigen Platz haben / schaffen muss (meist durch Aufteilung der Tiere auf verschiedene Stellen)... das Ganze muss auch personell geleistet und finanziert werden.... von der psychischen Belastung der Tierpfleger mal ganz abgesehen, die mit diesem Elend konfrontiert werden.

GANZ großes Problem:

Ist die Tierhaltung aufgelöst oder "flüchtet" der AH, ist für die zuständige Behörde der Fall erledigt. Eine Weiterverfolgung in andere Zuständigkeitsbereiche erfolgt nicht.... und AH fangen in der Regel am neuen Wohnort gleich wieder mit dem Tiersammeln an!

Forderungen

- offizielle Anerkennung des AHs als Krankheit
- Zutrittsrecht des Amts-TAs bei Vorliegen eines Verdachts
- Erstellen eines Zentralregisters, in dem Tierhalter mit Verstößen gegen das TschG gelistet werden und auf das alle VetÄmter zugreifen können
- Forschungsarbeiten aus Psychologie und Humanmedizin
- mehr Workshops für Personengruppen, die in der Regel mit AH-Fällen konfrontiert werden
- Sensibilisierung der Bevölkerung
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